Internet – Ist das echt noch immer Neuland für uns Deutsche?
Tobias Rademann
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Lesezeit: 9 min
Kategorie:
Digitale Transformation
IT-Trends
Die Aussage unserer ehemaligen Kanzlerin, Frau Dr. Merkel, die sie in einem Gespräch mit Barak Obama 2013 getroffen hat, vergesse ich (leider) nie:
"Das Internet ist für uns alle Neuland."
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich persönlich immerhin bereits (bzw. subjektiv gefühlt: erst!) seit knapp zwanzig Jahren intensiv mit dem Internet beschäftigt; Neuland war es für mich daher nicht in Ansätzen. Und da die Geburtsstunde des Internet auf das Jahr 1969 (ARPANET) bzw. spätestens auf das Jahr 1989, in dem Tim Berners-Lee mit dem World Wide Web die Grundlage für die kommerzielle Nutzung des Internets gelegt hatte, datiert, wäre das Netz zum Zeitpunkt der Merkel'schen Aussage immerhin irgendwo zwischen 24 und 44 Jahre alt gewesen…
Mich erinnert dieses Zitat zudem immer an eine – mittlerweile ebenfalls schon zwei Jahre alte – Doku des WDR mit dem Titel "Neuland: Wer hat die Macht im Internet?", die schonungslos und auch für Laien gut nachvollziehbar offenlegt, wie weit wir in Deutschland und Europa wirtschaftlich und gesellschaftlich selbst im Jahr 2020 noch den beiden Key-Playern China und Amerika hinterherhinken.
Ich selbst benutze dieses Zitat seitdem immer mit einem gewissen Grad an Sarkasmus, wenn ich frustriert darüber bin, wie langsam manche Unternehmen oder Mitmenschen die neuen Technologien adaptieren.
Wobei Sarkasmus es vermutlich nicht ganz trifft: Vielmehr ist es eher eine Art Verzweiflung, denn wenn ich daran denke, dass es sich bei der Digitalen Transformation um einen Wandlungsprozess mit exponentieller Geschwindigkeit handelt, frage ich mich in diesen Momenten, ob wir den immer größer werdenden Abstand irgendwann überhaupt noch einholen können. Und wie es unter diesen Umständen um die Wettbewerbsfähig unserer deutschen und europäischen Wirtschaft bestellt ist. (Wobei das dann leider eine rein rhetorische Frage ist…)
Zu abstrakt? OK – es geht auch greifbarer:
Denn selbst in der aktuellen Zeit (d.h. 2022, nach Corona und dem damit verbundenen 'Digitalisierungsschub der deutschen Wirtschaft') ist das Merkel'sche Zitat aktueller denn je:
Vor etwa einer halben Stunde habe ich wieder einmal einen Tisch über das Internet für sechs Personen reserviert – nein, besser: reservieren wollen. Automatische Antwort: "Mailbox Quota exceeded." Dasselbe ist mir in unserem letzten Urlaub gleich dreimal passiert (und wir waren in den vierzehn Tagen nicht jeden Tag essen…).
Andere Beispiele gewünscht?:
- Webseite für einen Frisör: "Nicht nötig – habe genug Kunden".
- Webseite oder eMail-Adresse für einen Handwerksbetrieb: "Brauchen wir nicht – haben ohnehin zu viel zu tun".
- Aktuelle Speisekarte eines großen Restaurants online: "Brauchen wir nicht; macht nur Arbeit und kostet Geld; die wollen dafür € 50,00 pro Monat haben!"
OK, für den Moment haben die oben zitierten Unternehmen vermutlich irgendwie Recht: Sie haben derzeit zu viel Aufträge und vor allem zu wenig Personal. Eine noch höhere Nachfrage würde mit großer Wahrscheinlichkeit nur zu Frust auf beiden Seiten führen.
Wobei es auch Ausnahmen gibt: Bei einem der Restaurants, die wir im Urlaub besucht und von dem wir eine "Mailbox Quota exceeded"-Info bekommen haben, waren wir fast die einzigen Besucher – bei einer Kapazität von knapp 100 Plätzen im Biergarten und mindestens derselben Anzahl im Innenbereich…
Aber: Die Wirtschaft unterliegt nun einmal Schwankungen und die Chance, dass bald mal wieder zu wenige Aufträge da sind, ist groß. Dann jedoch gibt es eine Herausforderung, die viele noch immer massiv unterschätzen:
Die Adaption neuer Technologien benötigt nicht nur Geld, sondern vor allem eine Menge Zeit!
Konzepte und Anwendungen wollen nicht nur entworfen, sondern auch umgesetzt werden. Wissen muss erworben und verteilt werden; Erfahrungen müssen gemacht werden; die richtigen Partner müssen gefunden und integriert werden ('Storming', 'Norming' – erst dann kommt 'Performing'…). Und um im Internet Bewertungen zu erhalten und damit die Glaubwürdigkeit des eigenen Marketing-Auftritts zu steigern, sind oft Jahre nötig; dasselbe gilt für Follower im Bereich der Social-Media Kanäle.
Zudem müssen alle Beteiligten verstehen, wie neue Technologien / Anwendungen funktionieren und wie sich diese neuen Werkzeuge nutzen lassen. Erst dann kann der Transfer auf eigene Herausforderungen erfolgen.
Sofern ich aber erst beginne, mich mit neuen Technologien zu beschäftigen, wenn es mir schlecht(er) geht, ist es schlicht zu spät. Und das werden wir im nächsten längeren Abschwung deutlich erleben.
Obwohl sich das soeben Gesagte sehr negativ anhört, gibt es viele positive Aspekte bei der Adaption neuer Technologien:
Mich selbst fasziniert es in der Arbeit mit unseren Kunden immer wieder, wenn ich vergleiche, welche Ideen, Anforderungen und Anwendungsszenarien die Mitarbeiter*innen bspw. im Bereich der iT-gestützten Geschäftsprozessoptimierung zu Beginn unserer Zusammenarbeit stellen (nämlich sehr, sehr begrenzte) und wie sich dieses Verständnis über die darauffolgenden Monate und Jahre mit rasanter – exponentieller! – Geschwindigkeit entwickelt:
Während sich viele Kunden (völlig verständlicherweise!) zu Beginn unseres gemeinsamen Weges kaum bzw. gar nicht vorstellen können, was durch den gezielten Einsatz moderner Informationstechnologie möglich ist und wie iT sie dabei unterstützen kann, die eigenen Geschäftsprozesse zu optimieren und (teil)zuautomatisieren, lernen sie in jeder neuen (Software-)Entwicklungsschleife enorm dazu. Sie lernen schlicht ein neues 'Werkzeug' (moderne iT) auf Basis konkreter Anwendungsszenarien in ihrem Alltag kennen und können daraus dann natürlich immer leichter ableiten, wie sie dieses enorm vielseitige Werkzeug auch anderweitig sinnvoll einsetzen können.
Das Ergebnis ist immer wieder beeindruckend und für mich eines der erfüllendsten Resultate unserer Arbeit: Nach einigen Monaten haben unsere Kunden ein sehr gutes Verständnis dafür entwickelt, was sich mit moderner iT umsetzen lässt – sie haben sich damit inhaltlich von uns emanzipiert und können nun auf Basis ihrer eigenen Erfahrung und des eigenen, tiefen Hintergrundwissens in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich gezielt Innovationen anstoßen und uns leiten.
Aber das braucht eben Zeit.
Was passiert, wenn wir bei exponentiellen Entwicklungen wie der Digitalen Transformation zu lange warten, hat Alain Veuve sehr gut illustriert (vgl. auch unser 2. Digitalisierungs-Whitepaper: Es gibt einen Punkt, da wird der Abstand zu den anderen Marktteilnehmern so groß, dass wir ihn nicht mehr einholen können. Anders ausgedrückt: Die eigene Wettbewerbsfähigkeit hinkt dann dermaßen hinterher, dass wir nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die Konsequenz: Das eigene Unternehmen verschwindet vom Markt.
Damit das nicht so weit kommt, sondern damit wir von den enormen Möglichkeiten der Digitalen Transformation profitieren, sollten (und müssen) wir uns möglichst zeitnah, konsequent und kontinuierlich auf einer strategischen und operativen Ebene mit neuen Technologien und Anwendungen beschäftigen.
Falls Sie einen Sparringspartner suchen, der gemeinsam mit Ihnen eruiert, wie Sie Ihre bestehenden Stärken in der Digitalen Transformation optimal nutzen, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit für die digitale Zukunft zu sichern und zu steigern: Sprechen Sie uns an – wir freuen uns auf interessante und spannende – und sicher auch kontroverse – Gespräche!
eMail: Tobias.Rademann@RiT.de
Telefon: +49 (234) 4388000